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Essen im Süden
"ESSEN WIE GOTT IN FRANKREICH" verbindet gemeinhin unsere Vorstellung von erlesensten Speisen aus den besten und teuersten
Zutaten in Verbindung mit diversen Regeln der "Haute Cuisine", also der gehobenen Küche für Esskultur und Benimm. Das Essen als
Kunstwerk angerichtet sowie Besteck und Gläser für die einzelnen Gänge, wie es ein Nicht-Franzose wahrscheinlich niemals vollständig
verstehen wird.
Vielleicht denken Sie aber auch an einen etwas untersetzten Mann mit Baskenmütze und Baguette unterm Arm, oder daran wie
ebendieser Mann ein Stück Käse genussvoll in den Mund nimmt und sehr französisch mit Handbewegung "Excellent!" in die Kamera
ruft. Auch die Verkostung von zumeist rotem Wein nach allen Regeln der Kunst ist ein solches Bild. Und so geht es immer weiter,
französische Küche eben.
Das alles ist aber nur die halbe Wahrheit. Es gibt in Frankreich genauso sehr alte Traditionen für einfaches, reichhaltiges und deftiges
Essen, wofür mit "Les Routiers" (Logo unten im Bild / "die Fahrenden" bzw. heute die Kraftfahrer) sogar eine Art richtiges
Markenzeichen überall an den Landstrassen zu finden ist. Gasthäuser mit diesem Zeichen bieten speziell für Reisende Tafel und Rast
an, was schon vor den Brummis in alter Zeit so geschah. - Überdies besitzt jede französische Region eine eigene der Tradition
verbundene Spezialitätenküche, die nur in den wenigsten Fällen auch Teil der 'Haute Cuisine' ist.
Nein, die Wahrheit ist in der Tat viel breiter angelegt und findet sich am ehesten noch im Auge des wirklich kulturell aufgeschlossenen
und aufmerksamen Betrachters. Der Besuch in diesem Land lohnt unbedingt den etwas näheren Blick in seine Küche.
Auch hier im Languedoc sollte man unter der typischen Landesküche nicht das überaus gehoben Exklusive suchen, denn dies ist eine
ländlich geprägte Gegend. Die hiesige Küche ist das Produkt dieser Erde, dem Meer und seinen Menschen, Sie finden sie auf den
Märkten, im Fischreihafen, inmitten der Garrigue und auch zwischen den Rebstöcken der Weinfelder und den Olivenheinen.
Wenn Gott in Frankreich nach einem besonderen und ehrlichen Mahl suchte, dann ist es sicher, dass er auf seiner kulinarischen Reise
gerne auch im Languedoc einkehren würde.
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Die Mahlzeiten:
Es heisst immer, dass die Franzosen nicht sehr ausgiebig frühstückten. Im Prinzip stimmt das, aber dennoch ist das Frühstück
("Petit Déjeuner") für die Menschen des Südens so wichtig wie die anderen Mahlzeiten auch. Der Tag soll ja auf keinen Fall missmutig
beginnen. Der kurze Sprung rüber zum Bäcker ("Boulangerie") ist wichtig, denn ofenfrisch muss das Baguette, Croissant oder pain de
chocolat (kl. Brot mit Schokofüllung) einfach sein, anders geht es ja gar nicht. Dazu Kaffee oder ein langer Milchkaffee, ein Glas
Orangensaft, Butter, selbstgemachte Marmelade (das Einkochen gehört hier dazu!) oder Erdnusscreme und auch mal ein weich
gekochtes Ei. - Grundsätzlich gilt, dass es beim Frühstück eher süss zugeht; Ausnahmen sind natürlich erlaubt und überhaupt kein
Sakrileg.
Das Mittagessen ("Déjeuner") wird zumeist schon um 12 Uhr oder kurz danach eingenommen, was dem sparsamen Frühstück
geschuldet sein mag. Es handelt sich um eine warme, aber nach Möglichkeit nicht zu schwere Mahlzeit. Vorspeise (bunter Salat, ein
paar Muscheln oder eine Tarte), Hauptgericht (z.B. kleines Entrecôte mit Beilage), Dessert, Käse und zum Abschluss ein kleiner Kaffee.
Man trinkt schon mal ein Gläschen Wein dazu, aber in jedem Fall dann auch Wasser. - Hört sich nach viel an, ist es aber nicht, sondern
nur abwechlungsreich.
Wer kann, ruht sich anschliessend ein Stündchen aus. Dort wo es geht, dauert die Mittagspause bis 14:00 oder 14:30 Uhr. In Pézenas
haben ausser den großen Märkten die Geschäfte, Banken etc. geschlossen, was nun einmal dem Rhythmus des Südens geschuldet ist.
Denken Sie gegebenenfalls daran.
Beim Abendessen ("Diner") geht es nun aber richtig zur Sache. Es beginnt häufig erst gegen 20:00 Uhr, wenn es am Abend etwas
kühler wird und damit deutlich später als z.B. im deutschen Durchschnitt (so erklärt sich auch, dass das frz. Fernsehen ein anderes
Verständnis für die Primetime erst ab 21:00 Uhr hat). Wenn sie Gäste haben oder - noch viel besser - selbst zu Gast sind, könnte der
Ablauf ungefähr so aussehen:
1) Ihre Gastgeber bitten zum Apéritif. Es gibt raffiniert ausgedachte Appetitanreger aus regionalen Produkten (Oliven, Fischiges sowie
würzige Trockenwurst und Käsegeschichten müssen dabei sein) und dazu Exotisches für den richtigen Pfiff, die vorzustellen und zu
erklären sind. - Wichtig: es wird über das Essen gesprochen und eines ergibt schliesslich das andere zur angeregten Konversation.
Alles ist erlaubt, nur die Politik lassen höfliche Gastgeber und Gäste aussen vor, denn es ist ja bekannt, dass die Franzosen hierbei
stets in Streit geraten würden. - Dazu ein Gläschen vorab, die Gastgeber präsentieren ihren Getränkevorrat mit passenden und
möglichst humorvollen Geschichten: Liköre, süße Apéritifweine (z.B. einen Muscat), auch Biere, natürlich Säfte, Cola, Wasser, je nach
dem. Nichts Hochprozentiges.
2) Nun zu Tisch. Es beginnt mit den Vorspeisen. Zunächst ein oder mehrere Salate für den Boden im Magen; wahlweise könnten sie
am Tisch vor den Augen der Gäste angemacht oder mit verschiedenen Dressings in Schälchen angeboten werden. Anschliessend z.B.
noch eine warme Tarte mit Meeresfrüchten oder eine andere Überleitung wie gratinierte Muscheln etc.. - Dazu die ersten passenden
Tischweine, beschrieben und erklärt durch ihre Gastgeber; wahrscheinlich werden Sie aufgefordert zu kosten, zu urteilen und zu
wählen.
+ Über den Abend hinweg kommen, anders als in Deutschland, mehr und mehr verschiedene Weine zum jeweilgen Gang auf den
Tisch.
3) Es folgt das erste Hauptgericht. Etwas nicht so Schweres wie es etwa auch für das Mittagessen zur Anwendung kommen könnte.
Pasta, Fleisch, Fisch; es kommt auf die Gesamtidee an. Von diesem zu dem oder den nächsten Gängen sind bewusst kontrastierende
Wechsel zwischen z.B. Fisch und Fleisch möglich. Mehrere Beilagen stehen ab sofort zur Verfügung, zu denen viel Gemüse (bunt und
phantasievoll) immer und Dinge wie Reis, Kartoffeln, Nudeln oder Soßen je nach Anlass gehören.
+ Stellen Sie sich vor: Sie sind als Ausländer, z.B. als Deutsche, zu Gast bei einem solchen französischen Diner. Seien Sie unbesorgt,
man macht sich im Vorfeld entsprechende Gedanken. Nie würde man versuchen, Ihnen Dinge wie Pferdefleisch, Froschschenkel oder
Weinbergschnecken vorzusetzen.
4) Zweites Hauptgericht, der eigentliche Mittel- und Höhepunkt. Ein Braten, geheimnisvoll Überbackenes, Thunfisch, eine Grillade (mit
dem Holz des Winterschnitts der Weinstöcke) etc., auf jeden Fall aber das Besondere des Abends. Hierzu wird der beste Wein aus dem
Fundus ihrer Gastgeber angeboten.
+ Es wird gegessen, nicht geschlungen; es werden Geschichten erzählt, es wird fröhlich geplaudert, nicht steif parliert.
+ Rauchen Sie? Dann aber spätestens nach diesem Gang schnell für ein Momentchen auf die Terrasse oder den Balkon, es geht
natürlich noch weiter ...
5) Fromage (Käse). Davon haben Sie schon gehört; Sie sind in Frankreich, nach dem Hauptgang kommt die Käseplatte. Von cremig,
über würzig bis scharf, ihre Gastgeber werden alle Käsesorten in Herstellung, Herkunft, Reife, Aroma und Geschmack auf das
Genaueste erläutern. Gut präsentiert ist dies ein kleines Abenteuer. Der Käse soll im wesentlichen den Magen verschliessen.
Im Languedoc beginnt die Käseproduktion erst mit den Bergen, also dem “Haut Languedoc”; die Liebe zum Käse jedoch reicht
nachgerade bis ins Meer hinein. Eine gute regionale Platte bezieht neben allgemeinen Sorten wie z.B. einem Camembert vor allem
Käse aus dem Aveyron, Tarn oder Lozère mit ein.
5,5) Das ist nicht selten der Moment für jetzt auch Hochprozentiges: Calvados, Cognac und/oder etwas klar Gebranntes aus eben den
zuvor genannten Käseregionen. Lecker!
6) Desserts. Kaum vorstellbar, aber noch mehrere kleine Nachtischgänge sind nicht nur denkbar, sondern sehr wahrscheinlich. Erst
eine Crème, Pudding, Kuchen etc., dann Eis (wieder individuell zur Auswahl angeboten) und schliesslich Pralinen oder verschiedene
Schokoladen.
+ Seien Sie tapfer +
7) Der Abend endet mit einem kurzen Espresso und angeregter Plauderei, aus der nur schwer auszusteigen ist.
BON APPETIT !
Wir wissen, es ist schwer zu glauben, aber das beschriebene "Diner" ist nicht etwa ein Geburtstags- oder Weihnachtsessen (das würde
um etliches erweitert noch einmal ganz anders aussehen), sondern eine ganz normale Einladung. - Als Tourist werden Sie das
wahrscheinlich so nicht erleben können, aber es kann nicht schaden, einen Eindruck davon aufzunehmen, wie die Menschen der
Gegend, in der Sie ihre Ferien verbringen, kulturell ticken. - Unsere Rezeptsammlung der Region (welche nach und nach anwachsen
soll) beruht neben den eigenen Überlieferungen auf den Schätzen solcher kulinarischen Ereignisse.
ERGÄNZUNGEN zur Vollständigkeit
Wie überall in Frankreich sind bei den "normalen Leuten" auch im Languedoc das Picknick beziehungsweise der selbstversorgte
gemeinsame Ausflug mit Freunden ein grosses Thema!
Aber nicht wie in Deutschland. Nein. Man geht hier nur zu gerne raus in die Natur, erobert sich ein ganz eigenes Stückchen Frankreich,
nur um die einfachsten bis hin zu den witzigsten Leckereien auf einer gemeinsamen Tafel spannend auszubreiten und die besonderen
Dinge (z.B. speziell-pikante Salami mit einem Glas erdig trockenem Roten) einjedem persönlich reihum anzubieten. - Das ist toll und
können Sie durchaus beobachten, wenn Sie auf ihren Unternehmungen die Augen ein wenig offen halten.
xxx
Mindestens zwischen dem Mittag- und Abendessen liegt ein gehöriger Zeitraum. Die Menschen des Südens haben kein Problem mit
Zwischenmahlzeiten, sie darben nicht Hunger bis zum großen Abendschmaus. Hier kommen Obst wie z.B. Kirschen, Feigen, Äpfel etc.
je nach Jahreszeit reichlich zum Einsatz. Nicht ganz ungesund, oder?
xxx
Die Grillade (Amerikaner würden Barbecue sagen) ist ein wichtiger Aspekt in der sozialen Esskultur. Gegrillt wird wegen des
besonderen Aromas mit dem getrockneten Winterschnitt der Weinstöcke. Und zwar auf besonderen Grillstellen, welche häufig im
Garten errichtet oder an das Haus angebaut werden: Über einer schlichten dicken Eisenplatte in Herdhöhe gibt es einen steinernen
Rauchfang wegen der starken Rauchentwicklung des Holzes. Darauf werden die zierlichen Hölzer verbrannt und das Grillgut in einen
passenden Klemmrost (für Fisch oder Fleisch / Schauen Sie mal in einem grossen Markt nach diesen Rosten) eingespannt, der sich mit
Füsschen auf beiden Seiten wenden lässt.
AUSWÄRTS ESSEN
Es gibt in Pézenas zwei Restaurants, die es immerhin mit guten Bewertungen bis auf die Internetplattform des Guide Michelin
geschafft haben, sich aber nicht in der gedruckten Ausgabe befinden und somit auch keinen der begehrten Sterne haben: Das "Pré St.
Jean" und das "L'Entre Pots". Beide Lokale befinden sich an der Hauptdurchgangsstrasse.
In der erweiterten Umgebung sind durchaus mehrere Sterne Restaurants zu finden, insbesondere in Montpellier, Agde und Béziers.
Wenn Sie nun einmal auswärts essen gehen wollen, so hilft Ihnen der Guide Michelin durchaus dabei das genau Richtige für Sie zu
finden.
TIPP: Wenn es nicht so kompliziert zugehen muss, empfehlen wir für Pézenas gerne das "La Pomme d'Amour" am Rand der Place
Gambetta in der Altstadt gegenüber dem Museum "Vulliod-St-Germain" gelegen. Das ist gemütlich, atmosphärisch, persönlich, klein
und wir haben mit dem Essen gute Erfahrungen gemacht.
Essen im Süden = Lebensart und Kultur